Haben wir Wirklich keine richtigen Sorgen?

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Weitere datenschutzrechtliche „Stilblüten“

Es gibt Leute – auch solche, die wirklich ernst genommen werden wollen – die ernsthaft versuchen darüber nachzudenken und die Ergüsse dazu noch diskutieren, ob ein Vermieter die Rufnummer eines Mieters im Schadenfalle zwecks direkter Terminabsprache an den Handwerker weitergeben darf (oder hierfür die ausdrückliche Einwilligung einzuholen ist).

Ich bin der Auffassung, dass auch Gesetze, die ein hohes Schutzgut verteidigen helfen, so angewendet werden dürfen, dass das alltägliche Leben verschont und weitestmöglich „normal“ bleibt. Dabei sollten wahnsinnig neue Erfindungen wie das Telefon auch weiterhin zu dem ursprünglich konzipierten Zweck – nämlich die Möglichkeit zur direkten Kommunikation – erhalten bleiben.

Nun zum Meinungsstand:

Die naheliegendste Lösung soll sein, den Mieter vorab zu fragen, ob die Kontaktdaten im Rahmen der Terminabsprache an den Handwerker herausgegeben werden dürfen. Die Abfrage kann entweder für jeden Einzelfall oder aber generell für gleichartige Situationen eingeholt werden. Dabei soll dann noch von Bedeutung sein, dass die Situation der Datenweitergabe und die möglichen Empfänger so konkret wie möglich beschrieben werden. Unzureichend wäre folgende Formulierung: „Hiermit willigt der Mieter ein, dass seine Telefonnummer an Dritte übergeben wird“. Beim Einholen der Einwilligung muss zudem auf die Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit der Erklärung deutlich hingewiesen werden. Es wäre also unzulässig, die Mängelbeseitigung nur bei Erhalt einer Einwilligung vorzunehmen. Wenn der Mieter die Weitergabe seiner Kontaktdaten ablehnt, muss die Terminabsprache auf andere Weise erfolgen. Da wird dann jeder tropfende Wasserhahn zum Großprojekt.

Die Beseitigung von Mängeln hat ja – wenn so ein Vermieter überhaupt mal Lust dazu hat – was mit der Erfüllung seiner Pflichten aus dem Mietvertrag (Art. 6 Abs. 1 S. 1 b DSGVO – Erfüllung des (Miet-) Vertrages). Soll aber nicht funktionieren, also datenschutzrechtlich: Die Weitergabe der Telefonnummer sei nicht zwingend erforderlich, um die Pflichten aus dem Mietvertrag erfüllen zu können. Die Terminorganisation könnte auch auf anderem Wege erfolgen, z. B. über die Hausverwaltung selber oder dem Mieter werden die Kontaktdaten der Firma geben. Besonders wichtig, an das Merkmal „Erforderlichkeit“ unpraktikabel hohe Maßstäbe zu stellen. Vor allem, wenn um so etwas Wichtiges wie eine vereinsamte Telefonnummer geht, soll die bloße Zweckerreichung nicht genügen. Damit soll also diese Rechtsgrundlage ausscheiden.

Bliebe noch Art. 6 Abs. 1 S. 1 f DSGVO, das berechtigte Interesse. Um die Nachteile einer Einwilligung (also organisatorischer Aufwand, Widerrufbarkeit, Sicherstellung der Wirksamkeit) vermeiden zu können, wäre das berechtigte Interesse als Rechtsgrundlage die bessere Alternative. Eine Datenverarbeitung ist gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 f DSGVO zulässig, wenn diese für die Erfüllung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und die Interessen des Betroffenen nicht überwiegen.

Dazu die Berliner Gralshüter des Datenschutzes: Von dort soll im Rahmen einer Verwarnung hinsichtlich der Interessenabwägung folgendes mitgeteilt worden sein: „Ein berechtigtes Interesse zur Weiterleitung der Telefonnummer des Beschwerdeführers, welches sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt, ist hier ebenfalls nicht gegeben. Sie gaben als berechtigtes Interesse an, dass Sie davon ausgegangen sind, dass der Beschwerdeführer sich eine zügige Bearbeitung seines Anliegens wünscht und dies per Telefon schneller möglich gewesen wäre. Eine zügigere Bearbeitung wäre jedoch auch über den Kommunikationsweg per Telefon nicht zweifelsfrei gegeben, und rechtfertigt auch nicht, dass die Telefonnummer des Beschwerdeführers ohne Einwilligung weitergegeben wurde. Gefahr im Verzug war vorliegend ebenfalls nicht gegeben.“


Die Interessen des durchschnittlichen, verständigen Mieters an einer reibungslosen Abwicklung solcher Lappalien und des Vermieters am ordnungsgemäßen Erhalt seines Eigentums werden leider gar nicht erörtert. Daneben enthält die Aussage auch noch einen groben juristischen (Denk-)Fehler: Nach Argumentation der Aufsichtsbehörde sollen die berechtigten Interessen des Verarbeiters/Vermieters überwiegen müssen. Aus dem Wortlaut der DSGVO lässt sich diese überhöhte Sichtweise nicht ableiten. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht ein ausgeglichenes Interesse, sozusagen ein Unentschieden, um die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 f DSGVO rechtfertigen zu können.

Das Bayrische Landesamt für Datenschutzaufsicht vertritt in einem FAQ (Rubrik: Wohnungswirtschaft) eine gegenteilige Auffassung. Auf die Frage, ob die Telefonnummer an Handwerker übergeben werden darf, antworten sie wie folgt: „In der Regel ja, wenn es nach vernünftigem Ermessen notwendig ist, dass der Handwerker mit dem Mieter Kontakt aufnimmt, um einen Termin zu vereinbaren. Die Weitergabe ist in solchen Fällen meist aufgrund „berechtigter Interessen“ des Vermieters/Verwalters gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO zulässig.“

Selbst die Aufsichtsbehörden sind sich nicht einig, welche Rechtsgrundlage maßgeblich greift. Es bleibt dahingehend abzuwarten, welcher Rechtsauffassung die Gerichte folgen werden.

Bis dahin muss jeder Vermieter für sich entscheiden, ob er die Datenweitergabe auf einer Einwilligung oder das berechtigte Interesse stützen will. Im ersten Fall muss für jeden einzelnen Mieter geprüft werden, ob eine wirksame Einwilligung (noch) vorliegt. Im zweiten Fall muss die Interessenabwägung intern dokumentiert werden. Hier besteht allerdings ein Risiko, dass die Aufsichtsbehörde dies als unzulässig erachtet und daher den Vermieter verwarnt oder sogar Bußgelder verhängt, was jedoch nicht der Fall sein dürfte, solange gleichrangige Stellen die entgegengesetzte Auffassung vertreten.

2. Akt für heute: Auch die heilige Wiesn wird vom Datenschutz-„Irrsinn“ (so ausnahmsweise mal zutreffend die „Bild“) nicht verschont. Die Wiesn-Wirte beugen sich dem Wahnsinn und übersenden bei Reservierungswünschen eine Einwilligungserklärung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten; wer diese nicht zurücksendet, findet auf dem reservierten Tisch nur eine Code-Nummer.

Ein Prosit auf die DSGVO!

Ein Prosit auf unsere Datenschutzbehörden, die in Ihrem dornröschenhaften Tiefschlaf noch immer für kaum Erleuchtung sorgen!

Ein Prosit auf die weiter bestehende Aufsplitterung; einheitliches Datenschutzrecht in Europa, ja. Nicht in ganz Europa! Ein kleines Dorf (Entschuldigung: Land) gönnt sich weiter eine eigene Behörde für jeden noch so unbedeutenden Flecken deutscher Muttererde mit Meinungsdiversität satt statt Rechtssicherheit. Wahrscheinlich müssen da ein paar Leute geparkt und versorgt werden.

Kein Prosit auf die Gemütlichkeit! Die ist im (Wiesn-Jargon) „Arsch“!

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