Corona: die Fallzahlen steigen

Corona-App: (Viel zu) teuer, floppend und (zu Recht?) vergessen

Der kurze Weg vom Heilsbringer zum vergessenen Flop

Corona: die Fallzahlen steigen

Ich bin kein Informatiker, scheine aber mit meiner Geringschätzung der App richtig zu liegen.

Letzte Woche: Die (Ober-)Mutti hat die Landesmütter/-väter nach Berlin bestellt (die dürfen das bei stark ansteigenden Corona-Fallzahlen): Hinweise auf überforderte Gesundheitsämter (arbeiten wohl immer noch wie in der Steinzeit) Hektik, Apelle, Maßnahmen ohne Ende (ich behaupte: teilweise auch ohne Sinn und Verstand), Maßnahmen-Flicken-Teppich. Und das Wunderkind, das (im Juni) vielgepriesene Wunderheilmittel Corona-App? Ich habe gar nichts mehr davon gehört oder gelesen …

Im Juni wollten sie noch alle dem Start der Rettung aus dem Elend beiwohnen: Pressekonferenz mit vier Bundesministern, einer Staatsministerin, zwei Unternehmensvertretern und dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts.

Zeit online wies dann vor einigen Tagen noch zart darauf hin, dass möglicherweise die Funktion und die „grünen Warnungen“ für mehr Unsicherheit sorgen als Zweckdienlichkeit gewährleisten.

Nun kritisiert Henning Tillmann in Spiegel online, dass die App als fortwährendes Projekt hätte begriffen werden müssen, statt die Pressekonferenz zum Start der App gleichzeitig auch als Abschluss des Denkprozesses rund um digitale Lösungen zur Pandemiebekämpfung zu betrachten.

„Sieht man von der überfälligen Verknüpfung mit anderen europäischen Warn-Apps ab, wurde die Corona-Warn-App nicht weiterentwickelt – augenscheinlich nicht einmal weitergedacht. Auch Telekom und SAP, die von der Bundesregierung beauftragt wurden, glänzten im Laufe des Sommers eher durch eine unzureichende Informationspolitik statt durch innovative Ausbaustufen.

Und auch wenn Telekom und SAP die Erfolge der Corona-Warn-App gern als ihre eigenen verbuchen, haben sie zur Kernfunktion nur wenig beigetragen. Tatsächlich haben die Unternehmen nur die grafische Oberfläche, das Einreichen von Positivmeldungen und einige Berechnungen zur Risikoeinstufung eingebracht. Die Grundfunktionalität der App wird als technischer Rahmen von den Machern der Smartphone-Betriebssysteme Apple und Google bereitgestellt. Diese Grundfunktionalität kam kostenfrei per Update auf alle halbwegs aktuellen Smartphones.

Die beiden US-Firmen hatten im Frühjahr ein System zum Austausch von Bluetooth-Schlüsseln entwickelt, auf dem auch die Corona-Warn-App basiert. Google bietet neuerdings sogar an, bei der Entwicklung der grafischen Oberfläche zu unterstützen und Apples iOS ist auch weniger auf eine eigene App angewiesen. Die Entwicklung der eigentlichen App ist somit inzwischen kaum mehr notwendig, und die Kosten sind bezogen auf den Aufwand gering.“

Der Autor verweist darauf, dass die irische App nur einen Bruchteil gekostet hat und dafür auch noch mit mehr Funktionen ausgestattet ist. „Der Inselstaat gab die Entwicklung einer solchen App im Frühjahr bei einem Start-up in Auftrag. Die Anfang Juli erschienene “COVID Tracker App” wurde innerhalb eines Monats von über 30% der dortigen Bevölkerung heruntergeladen – relativ gesehen weitaus mehr als in Deutschland. Kostenpunkt der irischen App für iPhones und Android-Geräte: 850.000 €.“ Dem steht die Verschwendung von weit über 60 Millionen Euro für die Spahn-Gedächtnis-App gegenüber.

„Laut den Berechnungen des Datenanalysten Michael Böhme haben sich Stand Dienstagmittag 9641 Menschen mit nachgewiesener Infektion gemeldet. Umgerechnet bedeutet dies, dass jeder einzelne Positivfall aktuell gut 6200 Euro gekostet hat. Das ist viel Geld, das eigentlich nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die App auch kontinuierlich weiterentwickelt würde und nicht schon wenige Monate nach dem Start in Vergessenheit geraten wäre.

Die irische “COVID Tracker App” bietet zusätzlich eine persönliche Symptom-Verfolgung und generelle Statistiken zur Lage der Epidemie im Land. Ähnliche Funktionen vermisst man hingegen in der deutschen App. Aus Sicht des Datenschutzes wären solche zusätzlichen Funktionen grundsätzlich kein Problem.

Die Corona-Warn-App wurde mit dem Kenntnisstand des Frühjahrs entwickelt. Aerosole, Superspreader-Events und Cluster waren damals kaum diskutiert. Potenzial für eine Weiterentwicklung gibt es also zu genüge: Die App könnte zum Beispiel erkennen, ob Kontakte mit mittlerweile positiv getesteten Menschen während großer Menschenansammlungen stattgefunden haben. Dies könnte in der Risikoermittlung (auch für weitere Anwesende) anders bewertet werden.“

Leider ist diese App bei weitem nicht das größte Desaster des Spahnsinns (die Bezeichnung ist leider nicht von mir erfunden, habe ich irgendwo gelesen). Viel schlimmer: Masken bestellen (ohne Begrenzung) und dann nicht haben wollen: Es häufen sich die Berichte: Mindestens 1.800.000 Masken zu vollkommen überzogenen (selbst festgesetzten) Preisen bestellt, keine Abnahme und schlimm für die Lieferanten: Keine Bezahlung! Es soll erste Zahlungsklagen gegen das Gesundheitsministerium geben (gegen eine Bundesbehörde, nicht etwa einen größenwahnsinniger Finanz-Hasardeure). Schaden: 1.000.000.000 € (ja, es sind tatsächlich so viele Nullen).

Böse ist nur, wer einen Zusammenhang dieses Fiaskos mit der nun beschlossenen „erweiterten Maskenpflicht“ sieht. Aber irgendwie muss man die Dinger doch loswerden, sollen diese Lappen tatsächlich ähnlich wie Lebensmittel eine Art Verfalldatum haben.

Herr Spahn ist für mich ein würdiger Vertreter des derzeitigen Kabinetts, vorausgesetzt man stellt ihn in eine Reihe mit dem hoch angesehenen Verkehrsminister warum-ist-der-überhaupt-noch-im-Amt-Andi-Scheuer. Prognose: Für beide geht’s auch nach der Wahl weiter! Hätte Oswald Spengler nicht schon in den 1920er Jahren den „Untergang des Abendlandes“ diagnostiziert, stünde die Prognose nun an. Aber nicht wegen Corona.

Quelle: Henning Tillmann (Diplom-Informatiker, selbstständiger Softwareentwickler, Co-Vorsitzender des digitalpolitischen Thinktanks D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt und ist Mitglied der SPD) in Spiegel online

Link: https://www.spiegel.de/netzwelt/web/corona-warn-app-das-teure-vergessene-mammutprojekt-a-39837ed8-adb0-4259-b98c-f5b417669efa

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