Der direkte Weg zum Überwachungsstaat next Level
Hierzu passen neuesten Methoden der EU-weiten Verbrechensbekämpfung: Auch hier werden die von unseren europäischen Vorfahren hart erkämpften rechtsstaatlichen Grundsätze im Dutzend abgeschafft, Datenschutz: plötzlich nicht mehr gar so wichtig. Ziel: Eine Biometrie-Superdatenbank mit dem superbitteren Beigeschmack von: Weg vom begründeten Verdacht, hin zu einer verdachtsunabhängige Massenüberwachung, beschlossen am 16.04.2019. Und wenn es um die Beschränkung von Rechten der Bürgerinnen und Bürger geht, geht’s auf einmal nicht schnell genug: Das Vorhaben soll laut Bundesinnenminister, „German Mister Law and Order himself“, forciert werden. Das von der EU hierfür erlassene Gesetzespaket erlaubt es, europäische Informationssysteme zur inneren Sicherheit zu verknüpfen und abzugleichen.
Nur wer im Vorfeld bereit sein wird, umfänglich personenbezogene und sensible Daten den Grenzbehörden zukommen zu lassen, wird Einreisedokumente in die EU erhalten. Zuvor werden die bei dem Betroffenen erhobenen Daten, mit Polizeidatenbanken ab- und mit einer von Europol geführten „Pre-Crime-Watchlist“ verglichen.
Der Begriff „Re-Crime“ geht aber auf den Science-Fiction-Autor Philip K. Dick zurück und wird zunehmend im polizeilichen Bereich für eine moderne Art der Fahndung bzw. von Systemen, die der Polizeiarbeit zugrunde liegen, verwendet. Letztendlich ist diese Art der „vorausschauenden“ Polizeiarbeit (Predective Policing) jedoch schon heute in rechtsstaatlichen Gesetzen verankert. So kann die Identitätsfeststellung unabhängig von einem konkreten Verdacht aufgrund generalistischer Verdachtsmomente schon heute an Orten vorgenommen werden, an denen häufig Straftaten von erheblicher Bedeutung stattfinden.
Mit Pre-Crime sollen künftige Straftaten aufgrund computergestützter Verfahren für bestimmte Personengruppen und Orte prognostiziert werden. Predective Policing richtet sich auch nicht nur gegen Einreisende aus Nicht-Schengenstaaten, ganz im Gegenteil, in vielen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland wird es bereits eingesetzt. Hauptsächlich um damit gegen Wohnungseinbrüche mit Hilfe von Pre-Crime-Observation-System (PRECOBS) vorzugehen. Dies ist nicht nur das Ende des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Unschuldsvermutung, sondern das scheunentorgroße Einfallstor für den Überwachungsstaat. Wenn allein die Zugehörigkeit zu gewissen Berufsgruppen oder anderen Merkmalen wie Geringverdiener, Herkunft, Geschlecht, Reisezweck die Person als gefährlich erscheinen lassen, können Unschuldige auf die Heat List der Polizei gelangen. Damit wird die Datenbasis auf die für den Abgleich zugegriffen wird, zumal wenn diese nicht auf Richtigkeit geprüft wird, verzerrt und liefert damit falsche Prognosen.
Verbunden werden folgende Datenbanken:
Schengen-Informationssystem (SIS)
VISA-Register (VIS)
Eurodac-Datei (Verknüpfung mit Fingerabdrücken von Asylbewerbern)
Ein- und Ausreisesystem zur biometrischen Grenzkontrolle (Smart Borders)
Europäisches Reisegenehmigungssystem (ETIAS)
Speicher für Identitätsdaten beschränkt auf Personen aus Drittstaaten (Geburtsdatum, Fingerabdrücke, Passnummer, digitale Gesichtsbilder)
In diese Biometrie-Superdatenbank sollen vor der Ein- und Ausreise, aber auch während des Aufenthalts von Personen aus dem Nicht-Schengenraum, Informationen gespeichert werden. Dabei scheut die EU auch nicht davor zurück, hochsensible Daten, wie Biometriedaten in Form von Fingerabdrücken oder Daten von Kindern, in die Datenbanken einzuspeisen.
Praktisch: Dadurch, dass die Algorithmen, die den Datenbanken zum Abgleich hinterlegt sind, nicht offengelegt werden, ist keine Kontrolle möglich und der willkürlichen Handhabung Tür und Tor geöffnet.
Die Dateneingabe müsste kontrolliert werden, um die Datenqualität zu erhöhen und Fehlentscheidungen aufgrund falscher Datensätze zu vermeiden. Immer wieder kommt es bei der Dateneingabe zu Fehlern z.B. falsche Schreibweisen von Namen, die unentdeckt zu gravierenden Rechtsverstößen gegenüber den Betroffenen führen, etwa durch die Aufnahme in eine Heat List und die darauf basierende Stigmatisierung als Gefahr.
Ähnlich einer Rasterfahndung erfolgt in der Biometrie-Datenbank eine anlasslose Vorratsspeicherung, die in die Grundrechte des Einzelnen eingreift und den Grundsatz der Datenminimierung definitiv nicht berücksichtigt. Datenschutzrechtlich dürfen Daten nur zu dem konkreten Zweck verarbeitet werden, zu dem diese ursprünglich erhoben wurden. Werden nun die in der Biometrie-Superdatenbank eingespeisten Daten im Nachgang ausgewertet, erfolgt dies zu einem anderen Zweck, als zuvor festgelegt. Eine Zweckänderung ist jedoch nur möglich, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung des Betroffenen gem. Art. 6 Abs. 4 DSGVO vorliegt und der Betroffene entsprechend informiert wurde, was wohl ausgeschlossen werden kann.
Noch absurder wird das Ganze, weil Daten besonderer Kategorien gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO, verarbeitet werden und für deren Verarbeitung weder ein konkreter Anlass noch eine Einwilligung durch den Betroffenen vorliegt. Und: Das Alter für biometrische Fingerabdrücke von Kindern wird von 12 Jahren auf 6 Jahre verringert (warum eigentlich so lange warten?).
Wer – außer einem Gebilde auf dem Weg zum Schurkenstaat – braucht so etwas?
Denn letztendlich richtet sich diese Datenbank und damit deren geringe Datenschutzkompatibilität auch gegen die EU-Bevölkerung.